Im Sommer 2020 wurden meine Probleme im Alltag wieder schlimmer. Zwischendurch hatte ich tagsüber Off-Zeiten von mehreren Stunden. Aber was wesentlich mehr nervte, waren die Krämpfe, die sich ebenfalls über Stunden hinziehen konnten. Es fing meist bei den Zehen an und zog sich irgendwann bis zur gegenüberliegenden Schulter hoch. Für meine Familie war es kaum zu ertragen, mich so zu sehen. Oft versuchte ich, mich irgendwo zu verstecken, aber das änderte ja auch nichts am Problem. Tabletten, die eigentlich schnell wirken sollten, halfen gar nicht. Schließlich planten wir eine weitere stationäre Neueinstellung der Medikation. Im August 2020 meldete ich mich in einer Parkinson Klinik an, die mir empfohlen wurde. Was mir den Aufenthalt leichter machte: ein Mitglied meiner Selbsthilfegruppe war in derselben Zeit dort wie ich. Viele Betroffene, die ich inzwischen kannte, machten einmal im Jahr so eine stationäre Geschichte mit. Mir fiel das sauschwer, weil ich einfach ein Gern-zu-Hause-Mensch. Meine Medikamente wurden etwas umgestellt (tagsüber kamen 2 Depot Kapseln dazu als Überbrückung bis zur nächsten Einnahmezeit). Die Zeiten wurden meinem Tagesablauf angepasst und die Physiotherapie tat meinem total verspannten Körper richtig gut. Trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, dass mein Magen die Tabletten nicht mehr richtig aufnehmen wollte. Vor allem nachmittags und abends war es so, als würde die Wirkung viel zu spät oder gar nicht einsetzen. Aber die Nächte wurden besser und die Krämpfe sehr viel weniger. Ich hatte eine sehr nette Zimmernachbarin. Wenn wir kein Programm hatten, sind wir manchmal in die nächst größere Stadt zum Bummeln oder Eisessen gefahren. Abends saßen wir oft mit einigen Leuten im Gemeinschaftsbereich zum Quatschen. Diesen Erfahrungsaustausch fand ich sehr bereichernd. Ich erinnere mich an einige interessante Begegnungen und gute Gespräche. Hier habe ich ein paar gute Tipps bekommen, wie man das „Stehenbleiben“ auflösen kann: 1. Rückwärts geht immer 2. Hüpfen oder Laufen klappt besser als Gehen.
Außerdem machte ich eine lustige Anmach-Erfahrung.
Nach einer Gruppentherapie blieb ich kurz im Flur stehen, um nachzusehen, was als nächstes auf dem Programm stand, als ein Herr mich ansprach. „Ich bin interessiert an Ihnen. Wollen Sie einen Wodka mit mir trinken?“, fragte er. An seinem ernsten, aber freundlichen Gesichtsausdruck erkannte ich, dass es kein Witz sein sollte.
Ich stellte erst einmal klar, dass ich verheiratet bin und außerdem Wodka auch nicht so mein Getränk sei. Das mit dem Verheiratetsein ignorierte er völlig. Statt dessen wollte er wissen, was ich gern trank und ob ich ein Einzelzimmer hätte. Ich lud ihn daraufhin ein, den Abend mit unserer Gruppe unten im Gemeinschaftsbereich zu verbringen. Und ich gestand, dass ich eher ein Gläschen Wein bevorzugte statt Bier oder Schnaps. Als ich am Abend nach unten kam, stand an meinem Platz eine Weinauswahl in kleinen Fläschchen (rot, weiß und rosé) und Pralinen. Es war mir erst etwas peinlich, aber ich entschloss mich schnell, die Leckereien mit den anderen zu teilen. Ich denke, diese Geste hatte ihm deutlich gezeigt, dass mir nichts an Zweisamkeit mit ihm lag. Na ja, Mühe gegeben hat er sich jedenfalls.
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