Es war im November 2020 - mitten in der Corona-Zeit. Mir ging es so schlecht wie noch nie vorher. Ich krampfte fast täglich über mehrere Stunden und hatte das Gefühl, dass die Medikamente gar nicht mehr wirkten. An einem Sonntag Nachmittag saß ich mal wieder in meinem Lieblingssessel, verknotete meine Beine und suchte verzweifelt eine Position zu finden, die auszuhalten war. Eine Körperhälfte zitterte, die andere krampfte. Meine Atmung und mein Puls schossen in die Höhe und ich befürchtete, gleich ohnmächtig zu werden. Mein Mann musste das mit ansehen, ohne mir irgendwie helfen zu können. Vergeblich versuchten wir eine Neurologische Klinik zu finden, die mich aufnehmen konnte. Nichts. Schließlich riefen wir den Rettungsdienst an und schilderten die Lage. Sie brachten mich in eine Klinik in der Nähe. Als ich dort ankam, waren die Krämpfe erst einmal vorbei. Es wurde ein PCR Test gemacht und ich kam erst einmal auf die Quarantäne Station. Es wurden ein paar Untersuchungen gemacht, die nichts ergaben. Dann sagte man mir, am nächsten Tag würde das Testergebnis vorliegen und dann würde auch ein Neurologe nach mir sehen. Gut, einen Tag warten ist in Ordnung, dachte ich. In der Nacht krampfte ich wieder heftig und die Schwester rief den Arzt an. Obwohl sie im Flur telefonierten, konnte ich verstehen, was gesprochen wurde. Er meinte, er würde erst kommen, wenn das Testergebnis da sei. Mir liefen bereits Tränen der Verzweiflung über die Wangen. Die lassen mich hier sterben, dachte ich nur. Wie jeder Krampf hörte auch dieser irgendwann auf.
Der nächste Tag verging. Es kam weder das Testergebnis noch ein Neurologe. Am Dienstag versprach die Schwester, dass auf jeden Fall der Neurologe kommen würde. Es wurde Abend und meine Geduld war völlig am Ende. Sowie ich auch. Tag Nummer 4 brachte auch nichts Neues. Jetzt wollte ich nur noch nach Hause. Aber: das Testergebnis war immer noch nicht da. Ich fragte die Schwester, ob es eine Möglichkeit gäbe, legal die Klinik zu verlassen. Entsetzt verneinte sie die Frage. Ich war kurz davor durchzudrehen. Ich wollte nur noch da raus. 4 Tage Einzelzimmer, kein Arzt, keine Hilfe. Ich war nur noch ein heulendes Nervenbündel. Kurz entschlossen packte ich meine Sachen und wartete auf den Abend. Die Nachtschwester kam und wünschte mir eine gute Nacht. Ich wartete bis es im Flur ruhig geworden war und sah vorsichtig aus der Tür. Zwei Schwestern standen vor einem Zimmer gegenüber der Treppe. Keine Chance. Ein paar mal überprüfte ich noch den Flur, aber immer war jemand zu sehen. Endlich um 23:00 Uhr war der Flur leer. Jetzt oder nie. Ich nahm meinen Rucksack, zog mir die Einweg-Overall der Schwester an mit Haube und Handschuhen und lief so leise wie möglich den Flur entlang. Die beiden Pflegerinnen waren in einem Zimmer am Betten beziehen. Ich lief weiter. Die Treppe herunter zum Ausgang. Geschlossen! Sch… Daneben ein Schild mit einem Pfeil „Ausgang ab 22 Uhr“. Schnell eilte ich in die Richtung und sah den Ausgang. Doch zwei Pfleger standen davor und unterhielten sich. Mit einem „Schönen Abend noch“ ging ich möglichst ruhig an ihnen vorbei. Erst an der Straße begann ich zu laufen. Ich rief meinen Mann an und erklärte ihm die verzwickte Lage. Er holte mich mit dem Bulli ab. Er saß vorne, ich ganz hinten. Schließlich hatte ich immer noch kein Testergebnis. Zu Hause packte ich ein paar Lebensmittel ein, nahm meinen Hund mit und fuhr in unsere Bürowohnung. Von dort rief ich die Klinik an und erklärte, dass ich in Sicherheit war und allein und dass ich niemanden gefährdet hätte. Ich wurde bereits im ganzen Krankenhaus gesucht, raunzte die Dame am Telefon mich an. Und die Erklärungen könne ich mir sparen. Ich würde mich vor dem Gesundheitsamt rechtfertigen müssen. „Dann werde ich aber auch dem Gesundheitsamt mitteilen, was in den letzten 4 Tagen gelaufen ist“, gab ich zurück. Am Morgen danach rief ich noch einmal bei der Station an. Von einem netten Pfleger erfuhr ich, dass bei dem Test etwas schief gelaufen war und kein Ergebnis kommen würde. Ich hob somit meine Quarantäne selbst auf und fuhr nach Hause. Weder vom Gesundheitsamt noch von der Klinik habe ich je wieder etwas gehört.
Kommentar schreiben