Mutig oder dumm?

 

Als ich 2012 die Diagnose Parkinson bekam, war unser jüngstes Pflegekind gerade einmal 3 Jahre alt. Bei meinen Recherchen über die Krankheit fand ich immer wieder den Hinweis, dass der Verlauf und auch die Verschlechterung des Zustandes bei jedem Betroffenen ganz unterschiedlich sein kann. Was wäre, wenn es bei mir schnell so schlimm werden würde, dass ich den Alltag nicht mehr bewältigen konnte? Drei Kinder und ein Leben im Rollstuhl? Das konnte ich mir gar nicht vorstellen. Manchmal sah ich die Zukunft wie etwas Dunkles, Furchteinflössendes vor mir. An guten Tagen war es eher so, dass ich mich gut darauf konzentrieren konnte, im Hier und Jetzt zu leben. Es klappte doch alles noch ganz gut. Ich nahm meine 3 Tabletten am Tag (niedlich im Vergleich zu dem, was ich heute so schlucke) und hatte kaum Einschränkungen. Im Herbst 2014 fing ich nach meiner Elternzeit wieder an, in Teilzeit zu arbeiten. Zwischendurch hatte ich leichte Schwierigkeiten, wenn die eine Tablettenwirkung aufhörte und die nächste nicht direkt den Anschluss fand. Mein Neurologe passte die Medikation etwas an und es wurde besser. Jetzt nahm ich zwei Tabletten mehr, aber in geringerer Stärke. Damals stellte ich mir vor, dass es genauso bleiben würde. Also, wenn die Medikamente nicht mehr optimal wirkten, musste nur die Menge angepasst werden und der Alltag war wieder so gut zu stemmen wie vorher. Das Leben mit drei aufgeweckten Jungs war spannend und herausfordernd. In dieser Zeit stellten wie immer wieder fest, dass unsere Kids nicht für Wohnungshaltung geeignet sind. So begannen wir intensiver nach einem Haus zu suchen. Das richtige zu finden war nicht einfach. Entweder stimmte der Preis nicht mit unserer Vorstellung überein, oder der Zustand der Immobilie oder die Lage schreckte uns ab.

Durch eine unscheinbare Zeitungsanzeige fanden wir schließlich im Januar 2015 das für uns passende Haus aus dem Jahr 1890. Vor allem das große Grundstück hat uns überzeugt und die Nähe zu unserer Wohnung freute besonders die Kinder. So mussten sie weder die Schule wechseln noch ihre Freunde aufgeben. Die Renovierungsphase war unheimlich anstrengend. Aber Ende Juli konnten wir einziehen. Zeitgleich hatten wir für die Eigentumswohnung Mieter gefunden. In den nächsten 2 Jahren hatte ich immer mehr das Problem der Überbewegung. Die Medikamente wurden oft angepasst, aber die Schwierigkeiten kamen wieder. Lange wehrte ich mich dagegen, in eine Klinik zur Einstellung zu gehen. Vor allem, weil im Haus noch so viel zu tun war. 

Das ist inzwischen 7 Jahre her. Manchmal frage ich mich ernsthaft: war es mutig oder eher dumm, mit der Diagnose Parkinson ein altes Haus mit riesigem Grundstück zu kaufen? Je nachdem, wie es mir gerade geht, fällt die Antwort auf diese Frage unterschiedlich aus. Ich fühle mich immer noch verantwortlich für den Gemüsegarten, die Hühner, den Kater und den Hund. Es fällt mir schwer, um Hilfe zu bitten. Leider lässt sich das aber nicht mehr vermeiden. Es wird trotzdem nicht einfacher. Die Zacken meiner Krone sind längst schon alle abgebrochen, aber ich trage sie noch stolz auf meinem (Dick-)Kopf.

 

 

 

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